Wofür Sie als Führungskraft (nicht) verantwortlich sind
„Er ist eigentlich ein erfahrener und engagierter Mitarbeiter – aber in letzter Zeit beschweren sich Kunden über falsche Informationen, er ist unkonzentriert, wirkt schnell erschöpft und reagiert empfindlich auf Kritik von Kollegen … das geht nun schon seit Wochen so. Wenn ich ihn darauf anspreche, weicht er mir aus und sagt, alles sei in Ordnung!“ Eine Mischung aus Sorge und Unsicherheit schwingt in der Stimme meines Coachees mit.
Stehen psychische Belastungen oder eine Erkrankung im Raum, fühlen sich viele Führungskräfte überfordert: sie möchten den Mitarbeiter unterstützen, ihm aber nicht zu nahe treten und auf keinen Fall die Situation schlimmer machen.
Abwarten ist keine Alternative
Abwarten ist jedenfalls keine Alternative. Verantwortungsvoll führen heißt hier, mit dem Mitarbeiter das Problem frühzeitig anzusprechen, konkrete Situationen zu beschreiben und den eigenen Eindruck von Überforderung beim Mitarbeiter mit Beispielen zu verdeutlichen. Ihr Mitarbeiter wird das vielleicht anders sehen – hören sie aufmerksam zu.
Es geht in diesem Gespräch nicht darum recht zu haben oder etwas zu beweisen. Wichtig ist vielmehr, sowohl den Mitarbeiter als selbstverantwortliche Person als auch die kritische Siuation ernst zu nehmen und zu versuchen, beides besser zu verstehen. Das ist die Voraussetzung, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Bestenfalls gelingt es zu klären,
- wo wichtige Informationen fehlen
- wo Verantwortlichkeiten unklar sind
- wo es mehr Unterstützung oder Rückendeckung in Konflikten braucht
- wo es vielleicht möglich wäre, Zeitdruck herauszunehmen, Aufgaben vorübergehend anzupassen oder anders zu verteilen
- was der Mitarbeiter selbst tun kann, damit sich die Situation positiv entwickelt
Anforderungen und Aufgaben können so möglicherweise vorübergehend reduziert und eine Überlastung abgebaut werden, damit der Mitarbeiter nach einer Erholungsphase gestärkt seine Aufgaben wieder übernehmen kann. Sinnvoll ist, klare Vereinbarungen zu treffen und die Gespräche zu dokumentieren. Wenn es eine betriebliche Sozialberatung oder andere Unterstützung im Umfeld gibt, sollten sie auf dieses Angebot hinweisen.
Engagierte und empathische Führungskräfte
erleben auch, dass Mitarbeiter sich ihnen in einer persönlichen Krise mit ihren Problemen anvertrauen. Freuen sie sich über die Akzeptanz die sie geniessen – und verwechseln sie diese nicht mit der notwendigen fachlichen Expertise. Hüten sie sich deshalb unbedingt davor, eine Diagnose zu stellen oder zum (Hobby)Therapeuten zu werden!
Als Führungskraft müssen sie das gesamte Team und die Ergebnisse im Blick haben. Treffen sie die notwendigen Entscheidungen für sich, ihren Mitarbeiter und ihr Team. Und spätestens wenn sie sehen, dass die Zusammenarbeit im Team ernsthaft gefährdet ist oder auch andere Teammitglieder überfordert sind: holen sie sich Experten mit ins Boot. Das können Kollegen aus der Personalabteilung, Betriebsarzt, Sozialberatung und Betriebsrat sein – um eine möglichst gute Lösung für alle Betroffenen zu finden.
Foto von Towfiqu Barbhuiya auf Unsplash